Gesetzesnovelle: Keine Zwangshochzeit mehr nach Vergewaltigungen

In Marokko kommen Vergewaltiger von Minderjährigen künftig nicht mehr straffrei davon, wenn sie nach der Tat ihr Opfer heiraten. Der bisher geltende und spätestens seit dem Freitod der 16-jährigen Amina heftig umstrittene Artikel 475 wurde am 22. Januar vom marokkanischen Parlament aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.

475 Film MarokkoArtikel 475 erlangte durch den Selbstmord des Vergewaltigungsopfers Amina al-Filali im März 2012 internationale Berühmtheit. Die damals 16-Jährige heiratete auf Druck ihrer Familie ihren Vergewaltiger, ehe sie sich wenige Monate später das Leben nahm. In vielen Städten fanden Demonstrationen statt, die das Ende dieser umstrittenen Gesetzgebung forderten. Der über Crowdfunding finanzierte Dokumentarfilm 475: When Marriage becomes a punishment des Menschenrechtsaktivisten Nadir Bouhmouch wurde seit seiner Veröffentlichung vor einem Jahr zur Kampagne für den Kampf gegen sexuelle Gewalt in Marokko.

In der 2011 reformierten Verfassung Marokkos ist die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zwar festgeschrieben, doch existieren zwischen Rechtsnorm und Alltagspraxis noch gravierende Unterschiede. Zudem gilt die Vergewaltigung innerhalb der Ehe im marokkanischen Rechtssystem nicht als Verbrechen — in Deutschland tut sie das übrigens erst seit 1997. Wie gut das neue Gesetz nun umgesetzt wird und ob sich durch die Gesetzesnovelle die Situation marokkanischer Frauen tatsächlich verbessert, wird die Zukunft zeigen. Ein erster Schritt ist damit getan, aber bis zu einer gleichberechtigten Gesellschaft bleibt noch sehr viel zu tun.

  • „475“ – Ein Film für Amina (dw, 09.06.2013)
  • Marokko: Keine Zwangshochzeit mehr nach Vergewaltigungen (dw, 23.01.2013)
  • Kleiner Sieg für Frauen in Marokko (srf, 24.01.2013)

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